Democracy dies in darkness.
Der Werbeslogan von The Washington Post hat im Jahr 2022 eine ganz besondere Aktualität erfahren.
Vorgestern hat Reporter ohne Grenzen die aktualisierten Zahlen der Repression gegen Medienschaffende bekanntgegeben. Ein neuer Rekord: 533 Medienschaffende sind weltweit inhaftiert. 57 Journalist:innen wurden getötet oder ermordet, 65 gelten als vermisst.
China, Myanmar, Russland, Iran – die Liste der besonders repressiven Staaten ist lang. Unabhängige Information ist für Diktaturen genauso gefährlich wie politische Opposition, weil sie kritische Auseinandersetzung erst möglich macht.
Autoritäre haben es längst verstanden: es gibt keine Freiheit ohne unabhängige Berichterstattung. Fakten, aber auch ihre kritische Einordnung, sind höchste Güter für die Demokratie, aber auch für den steinigen Weg dorthin. Ohne Medien gibt es keine Meinungsbildung und auch keine Politik – jedenfalls nicht im Sinne des Allgemeinwohls.
Es ist schön, hier auf dem Helvetiaplatz im Herzen der wirtschaftlichen Hauptstadt der Schweiz zu stehen und über Medienfreiheit in fernen Ländern zu reden. Doch was wirklich brauchen, um glaubwürdig zu sein, ist eine Medienpolitik, die diesen Namen verdient.
Auch bei uns in der Schweiz müssen die Journalist:innen einiges an Mut und Durchhaltevermögen mitbringen, um den Mächtigen auf die Finger zu schauen. Fast 90% der Schweizer Medienschaffenden haben dieses Jahr angegeben, Druckversuchen ausgesetzt worden zu sein. Und während die Kommunikationsabteilungen bei Firmen und Verwaltungen immer mächtiger werden, müssen Medienschaffende überall in unserem Land neue Sparrunden über sich ergehen lassen.
Wir zeigen – zurecht – auf andere Länder mit dem Finger und lassen unsere eigene vierte Gewalt ums blanke Überleben kämpfen.
Dabei geht es nicht um die Interessen der einzelnen politischen Lager, sondern um die längerfristige Perspektive unserer Demokratie sowie all jenen, die in ihren Staaten um eine kämpfen. Wir behandeln Medien als ein ordinäres Handelsgut, dass sich zwischen Nachfrage und Angebot behaupten muss. Ob Leser- oder Werbemarkt: das alte Geschäftsmodell hat längst ausgedient.
Was wir jetzt brauchen, sind keine lauwarme Branchendebatte wie beim Leistungsschutzrecht und keine vom Kantönligeist zerfressene Diskussion um kantonale Medienförderung, sondern eine voluntaristische, nationale Medienfinanzierung. So, wie die Jacqueline Badran es unlängst zusammengefasst hat: «Es ist nicht die Frage, ob wir die Medien finanzieren werden, sondern wann und wie.»
Auch wenn die Geldfrage zentral ist, ist sie nicht das einzige Problem. Die Beschneidung der Medienfreiheit in den letzten beiden Legislaturen ist beachtlich: Die bürgerliche Mehrheit im Parlament weitet provisorische Massnahmen aus, das Bankgesetz verunmöglicht investigativen Journalismus über ihre Machenschaften, der Bundesnachrichtendienst hebelt den Quellenschutz aus.
Wenn wir überall in der Welt die Freilassung von Journalist:innen fordern oder Gerechtigkeit für ihre Hinterbliebenen, dann müssen wir auch daran denken, dass wir ihnen vor allem eines schulden: den Respekt der Medienfreiheit überall dort, wo man sich Demokratie und Rechtstaat auf die Fahnen schreibt.
Vielen Dank.